Chefnotiz am Dienstag 29.09.2015

Braunkohlekraftwerke in Reserve? Gabriel gegen Brüssel

Gabriels Plan: Braunkohlekraftwerke sollen ab 2017 für vier Jahre in Reserve laufen. Entschädigungszahlungen an die Betreiber in Höhe von 230 Millionen Euro würden – wie üblich – auf die Stromkunden umgelegt. Doch verstoßen die Zahlungen wahrscheinlich gegen das Beihilfegesetz. Deshalb ist die EU-Kommission gegen den Kompromiss, heißt es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Dabei sind die Argumente aus Brüssel ebenso fragwürdig wie der Plan des Bundeswirtschaftsministers.

Zu Minister Gabriel: Richtig ist, dass Deutschland Reservekraftwerke benötigt. Schließlich müssen die schwankenden Erzeugungsmengen der Erneuerbaren stabilisiert werden. Bloß sind Reserven besonders im Süden von Nöten. Die Braunkohlekraftwerke stehen allerdings vornehmlich in Deutschlands Norden. Zudem lassen sich Braunkohlekraftwerke gar nicht schnell genug hochfahren. Zur Verbesserung des Strommarkts taugt Gabriels Vorschlag also nicht.

Zu den Argumenten der Kommission gegen Gabriels Vorschlag:

1. Deutschland möge überprüfen, ob überhaupt Bedarf an Reserven bestehe. Schließlich gäbe es große Überkapazitäten am Markt. Richtig ist: Weil die Erneuerbaren nicht kontinuierlich liefern, gibt es mitunter Überkapazitäten. Genau aus demselben Grund kommt es jedoch auch zu Zeiten der Unterversorgung. Gehört das in Brüssel nicht zur Allgemeinbildung?

2. Stattdessen solle man die bestehenden Kraftwerke besser untereinander vernetzen. Gute Idee, nur gegen die Kosten, die neue Netze verursachen, wirken 230 Millionen wie ein Schnäppchen.

3. Die Stromnachfrage müsse flexibler gestaltet werden. Tendenziell richtig. Bravo!

4. Im Rahmen der Flexibilisierungsstrategie könne man Strom aus den Nachbarländern beziehen. Wie bitte passt französischer Atomstrom zur deutschen Energiewende? Für diese Idee braucht es Humor.

Zwar heißt es aus Brüssel, dass Subventionen prinzipiell gestattet seien. Aber dafür müssten zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Gelder sollen technologieneutral fließen. Außerdem seien emissionsarme Kraftwerke zu bevorzugen. Diese Vorgaben schließen sich zwar gegenseitig aus. Wenn man von dem Denkfehler absieht – wahrscheinlich zielt der Vorschlag auf den Einsatz von Gaskraftwerken. Davon stehen genügend im Süden. So gedeutet wäre der Vorschlag in jeder Hinsicht zielführend. Immerhin.