Gerhard Schröder – Altkanzler ohne Amt und Würde
Gerhard Schröder hat es wieder getan: Der ehemalige Bundeskanzler (1998-2005) hat einen Job bei den Russen angenommen. Er lässt sich in den Aufsichtsrat des russischen Energiekonzerns Rosneft berufen. In Deutschland fasst man die Nachricht nicht gut auf. Schaut man sich den Konzern an, wird klar, warum.
Rosneft ist das zweitgrößte Öl- und Gasunternehmen Russlands. Dabei haben nicht nur gute Geschäfte zu dieser Größe geführt. Maßgeblich verantwortlich ist außerdem eine Verschmelzung mit dem ehemaligen Yukos-Konzern im Jahr 2005. Jenem Konzern also, der 2003 durch die Verhaftung seines einstigen Vorstandsvorsitzenden Michail Chodorkowski in die Schlagzeilen geriet. Westliche Beobachter hielten Verhaftung samt anschließender Aneignung des Yukos-Konzerns durch den Staat für eine rechtsstaatliche Farce. Damals mit daran beteiligt war Wladimir Putin, der schon einmal russischer Präsident war (2000-2008). Als Staatsoberhaupt hatte und hat er sicherlich großes Interesse am Wachstum von Rosneft, schließlich ist der Staat mit 70 Prozent Hauptanteilseigener.
Dass Schröder jetzt so heftig für seine neue Anstellung angegriffen wird, hängt auch damit zusammen, dass er bereits ein ähnlich fragwürdiges Engagement bei den Russen hat. Im Dezember 2005 wurde bekannt, dass Schröder als einer von vier Gazprom-Vertretern Vorstandsvorsitzender des Aktionärsausschusses bei der Nord Stream AG wird. Heikel daran ist vor allen Dingen der Zeitpunkt.
Zum Hintergrund: Weil sich Schröders Stern im Sinkflug befand, stellte er am 1. Juli 2005 offiziell die Vertrauensfrage. Diese konnte er nicht für sich entscheiden, blieb aber im Amt, bis Angela Merkel am 22. November seine Nachfolgerin wurde. Genau in diesem Zeitfenster, zwischen Vertrauensfrage und seinem Rückzug, nämlich am 8. September 2005, besiegelte er noch das Nord-Stream-Projekt mit Putin. Das allein war vielleicht nicht überraschend, denn Schröder war bekannt für seine Affinität zu Russland. Wirklich überraschend hingegen kam sein Engagement im Dezember 2005. Ein derart schneller Wechsel mit Nähe zu höchsten Regierungskreisen eines anderen Landes – das hatte mehr als nur als nur einen faden Beigeschmack.
„Wir waren die Asozialen“, lautet ein intimes Geständnis des ehemaligen Kanzlers über seine Herkunft. Sicher gilt es, diese Offenheit anzuerkennen. Ebenso verdient er höchsten Respekt für seine Karriere, die er gegen widrige Umstände durchlief. Doch: Wer es bis zum Bundeskanzler Deutschlands schafft, hat Pflichten moralischer Art, selbst über die Amtszeit hinaus. So kommt er diesen Pflichten nicht nach. Dabei war Zeit genug, dazu zu lernen.