Chefnotiz am Montag 23.11.2015

Kernfusion – unerschöpfliche Quelle für Energie

Am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) ist man ihr auf der Spur: Der unerschöpflichen Quelle für Energie. Als Inspiration dient den Forschern die Sonne und Arthur Eddington. Eddington war es, der 1920 erkannte, dass das beständige Feuer der Sonne auf Kernfusion basiert. Dieses Prinzip „auf die Erde zu holen“ ist Ziel der Forschung. Basis bilden Deuterium und Tritium, zwei Wasserstoffsorten. Durch das Verschmelzen dieser beiden Atomkerne entsteht ein Helium-Kern, ferner wird ein Neutron frei. Vor allen Dingen aber entstehen große Mengen an Energie: „Ein Gramm Brennstoff könnte in einem Kraftwerk 90.000 Kilowattstunden Energie erzeugen – die Verbrennungswärme von 11 Tonnen Kohle “, erklärt das IPP.

Für eine erfolgreiche Fusion müssen „ausreichend viele Teilchen oft und heftig genug miteinander zusammenstoßen“, so das IPP weiter. Heißt: Die Atomkerne müssen auf eine hohe Geschwindigkeit gebracht werden. Diese erreichen sie zum Beispiel in Plasma mit einer Temperatur von mindestens 100 Millionen Grad. Ergo gilt es, zunächst Plasma herzustellen.

Hintergrund: Plasma wird auch der „vierte Aggregatzustand“ genannt. Durch hohe Energiezufuhr durchläuft das Ausgangsmaterial die Zustände fest, flüssig und gasförmig. Im vierten Zustand trennen sich die Atome des Gases in ihre Bestandteile, also Elektronen und Kerne auf. Das extrem dünne ionisierte Gas hat andere Eigenschaften als herkömmliches Gas. Es ist elektrisch leitend und kann durch Magnetismus und Elektrizität in seiner Bewegung beeinflusst werden.
Diese Eigenschaften machen sich die Forscher zu Nutze. Im nächsten Schritt wird das Plasma in einen Magnetkäfig „eingesperrt“. Das ist notwendig, denn aufgrund der hohen Temperaturen kann Plasma nicht in einem materiellen Gefäß eingeschlossen werden.

Das Verfahren wird an zwei verschiedenen Anlagentypen erforscht – dem Tokamak und den Stellarator. Der Unterschied zwischen den Anlagentypen liegt im Aufbau der soeben beschriebenen Magnetfelder. Beide sind annähernd ringförmig, doch sie werden unterschiedlich aufgebaut – bei einem Stellarator mit Hilfe äußerer Spulen. Bei Tokamaks wird hingegen ein Teil des Feldes durch einen im Plasma fließenden elektrischen Strom hergestellt.

Noch ist offen, welches Modell zum Erfolg führt. Immerhin – es geht voran: Der Versuchsreaktor Wendelstein 7-X vom IPP in Greifswald soll noch in diesem Jahr in Betrieb gehen.

All das klingt begrüßenswert, selbst wenn die Kernfusion nicht ohne Nachteile ist. Die Stromgestehungskosten sind noch relativ hoch – man rechnet mit 5 bis 8 Cent pro Kilowattstunde. Viel Geld verschlingt zudem die Forschung selber. Aber die Vorteile scheinen zu überwiegen. Denn, wenn es gelingt, steht eine echte Revolution in der Energieerzeugung bevor. Dabei gelten Atomkatastrophen wie in Tschernobyl oder Fukushima als nicht möglich. Entwarnung auch beim Thema radioaktiver Abfall. Der entsteht zwar. Aber die Aktivität des Abfalls reduziert sich nach ungefähr 100 Jahren auf ein zehntausendstel des Anfangswerts.