Chefnotiz am Freitag 16.05.2014

Polnisches Flüssiggas für Deutschland?

Polen steht vor demselben Problem wie Deutschland. Es ist abhängig von Gasimporten aus Russland.  55 Prozent des polnischen Gasverbrauchs gehen auf die Einfuhr des ungeliebten Nachbarn zurück. Die Ausweitung der Bezugsquellen ist daher erklärtes Ziel. Anders als Deutschland ist man in Polen schon weiter. Im polnischen Swinemünde ist der Bau eines LNG-Terminals im vollen Gange. Künftig soll ein Drittel des Gasverbrauchs des Landes über das neue Terminal abgewickelt werden.

LNG – das Kürzel steht für liquefied natural gas. Der Vorteil von Flüssiggas: Es lässt sich unabhängig von Pipelines transportieren. Mittlerweile macht der LNG-Handel ein Viertel des Welterdgashandels aus. Bis 2035 soll er auf 50 Prozent ansteigen. Und so wird auch Polen bald die ersten LNG-Schiffe aus Katar empfangen. In Swinemünde regasifiziert, kann es dann in das nationale Gasnetz eingespeist werden.

Deutschland verfügt leider noch nicht über ein eigenes Terminal. Doch theoretisch bestünde die Chance, unseren Gasimport um LNG aus Swinemünde zu erweitern. Ob das tatsächlich so kommt, ist unklar. Zu genau diesem Thema ging am 10. April dieses Jahres eine „kleine Anfrage“ der Grünen an den Bundestag raus: „Wurde von diesem Terminal (in Swinemünde) schon Erdgas nach Deutschland importiert“?  Eine Antwort steht aus.  Eine direkte Pipeline von Swinemünde ins nahe Deutschland gibt es jedenfalls nicht. 

Trotzdem: LNG-Lieferungen aus Polen wären technisch möglich. Eine Verbindung zwischen den beiden Ländern besteht – die Jamal-Pipeline. Diese verbindet die Jamal-Halbinsel in Sibirien mit Russland, Weißrussland, Polen und  Deutschland. Der polnische Abschnitt wird von dem Joint Venture EuRoPol Gaz S.A. betrieben. EuRoPol Gaz S.A. gehört zu je 48 Prozent dem polnischen Gasunternehmen PGNiG und dem russischen Gaskonzern Gazprom. Die restlichen vier Prozent hält die polnische Gesellschaft Gas-Trading SA.

Auch die rechtliche Grundlage ist prinzipiell gegeben. Das LNG-Terminal wird von vier Seiten finanziert.  Dem Bauherrn – das ist der polnische Gasnetz-Betreiber Gaz-System.  Des weiteren von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), der Europäischen Union sowie der Europäischen Investitionsbank. Die EBRD hat sich dafür ausgesprochen, ein Drittel der Regasifizierungsleistung dem Gasversorger PGNiG zu öffnen – der bekanntlich die Jamal-Linie mitbetreibt. Kurzum: Über die Jamal-Leitung könnte PGNiG Gas an  Deutschland liefern. Fraglich natürlich, was Anteilseigner Gazprom dazu sagt