Chefnotiz am Mittwoch 07.10.2015

Zahlen und Rechnungen nicht entscheidend: Betriebswirtschaft mit Sigmar Gabriel

Jetzt also doch: Die Politik will wieder auf die vier großen Versorger zugehen. Auf einem Bonner Universitätsforum sagte Vizekanzler Gabriel sinngemäß: E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW seien „auch Opfer der Politik“. Die Energiewende habe sie in eine sehr „schwierige Marktlage“ gebracht. Daher sei die Politik nun in der Verantwortung für die Unternehmen und deren Beschäftigte. Bis zum Ende des Jahres werde ein Gutachten erstellt. Die „Zahlen und Modellrechnungen“ sollten dabei „gar nicht entscheidend“ sein, so Gabriel. Man hoffe vor allen Dingen, eine Konstruktion zu finden, mit der sich die Atomrückstellungen sichern lassen können. Wenn alles nach Plan laufe, müsse der Staat gar nicht in Haftung kommen.

Wenn das nicht ziemlich planlos klingt! Zahlen sind immer entscheidend – nur dass die eine ganz andere Sprache sprechen als Gabriel. RWE als Beispiel: Hier stehen bis zu 11 Milliarden Euro an Rückstellungsforderung einer Marktkapitalisierung von unter 7 Milliarden gegenüber. Weitere Faktoren dürften sich negativ auswirken:

  • Niedrige Strompreise: Die liegen derzeit bei circa 29 Euro je MWH. Erzeuger wie RWE bräuchten jedoch 30-35 Euro/MWH, um ihre Kraftwerke wirtschaftlich sinnvoll zu betreiben.
  • Pensionsrückstellungen: Die Versorger haben ihren Mitarbeitern feste Pensionen zugesagt. Diese sind nur zum Teil bereits gedeckt. Der Rest ließ sich ehedem durch Verzinsungen erwirtschaften. In der nun schon lang anhaltenden Niedrigzinsphase gelang das nicht. Entsprechend müssten die Rückstellungen aufgestockt werden. Nur – von welchem Geld?
  • Sicherheiten: Der Staat wird von den Versorgern Sicherheiten für die Rückstellungen verlangen. Und auch hier wieder die Frage: Von welchem Geld?


Ergo: Was Gabriel gern positiv-versöhnlich darstellt, ist es überhaupt nicht. Stattdessen ist das hier die Ankündigung des – sehr teuren – Prozesses der Wieder-Verstaatlichung der Versorger.